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HEILENDE TINTE.

Die 200-Jahre-Lüge.

 

Die sogenannte „200-Jahre-Lüge“ ist kein fest definierter Begriff. In der Geschichtswissenschaft oder auch in der Philosophie wird dieser Ausdruck häufig in kritischen oder alternativen Diskursen verwendet – etwa in Bezug auf wirtschaftliche, politische oder gesellschaftliche Narrative, die über Generationen hinweg überliefert wurden und heute hinterfragt werden.

 

Gemeint ist damit auch die Kritik am Finanzsystem. In einigen wirtschaftskritischen Kreisen wird damit die These bezeichnet, dass unser heutiges Geldsystem – insbesondere das Zins- und Schuldensystem – seit etwa 200 Jahren auf einem „Trugbild“ basiert. Die Kritik richtet sich oft gegen Zentralbanken, das Fiatgeld und die Idee, dass unbegrenztes Wachstum möglich sei. Manche behaupten, dieses System begünstige systematisch Vermögenskonzentration und soziale Ungleichheit. Besonders hervorzuheben jedoch ist und bleibt der konzipierte Anlegerfragebogen der Finanzdienstleistung, dieser durch die Bank weg in sämtlichen Institutionen Anwendung findet. Es ist ein Leitfaden. Ein Leitfaden soll lenken – doch wer ihn blind befolgt, statt ihn zu verstehen, trägt Mitverantwortung für weltweite Fehlentwicklungen. Nicht nur die Politik, sondern vor allem die Masse der Finanzhasen treibt das globale Unheil voran.

 

Natürlich gehört zu dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung auch die historische Komponente, die bestimmte Ereignisse oder Entwicklungen, etwa den Kolonialismus, die Industrialisierung oder die Entstehung moderner Demokratien in einem verzerrten Licht beschreiben. Es geht um Ausbeutung, Umweltzerstörung und soziale Spaltung, die lange Zeit verschleiert oder schöngeredet wurde. Im weiteren Sinne kann die „200-Jahre-Lüge“ auch eine Kritik an der Aufklärung und dem Fortschrittsdenken sein. Die Vorstellung, dass Vernunft, Wissenschaft und Technik automatisch zu einer besseren Welt führen, ist ebenso fragwürdig.

 

Die generelle Haltung, stets „für oder gegen“ etwas sein zu müssen – allen voran der geopolitische Reflex „Ost gegen West“ – gewinnt weltweit erneut an Dominanz und droht, den Raum für differenziertes Denken und echte Verständigung zu verdrängen. Jeffrey Sachs, US-amerikanischer Ökonom und Professor an der Columbia Universität erklärt die derzeitige geopolitische Komponente, die aus meiner Sicht immer zuerst in Augenschein genommen werden sollte (verlinkt im Wort). Jeffrey spricht von Idioten und Dummköpfen, was mich sehr beruhigt, denn ich neige auch zu diesen Ausdrücken.

 

„Seit Jahrhunderten schreibt vor allem die Geopolitik mit blutiger Tinte, die stille Architektur vieler menschlicher Tragödien in Zusammenarbeit betreibt.“

 

Daniela Sommerhoff

 

Foto von Nicolas Thomas auf Unsplash