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ERWACHEN.

Kennengelernt haben sie sich vor 47 Jahren. Mit knapp zwanzig verliebt, verlobt - dann verheiratet. Schwupps, war sie da - die Nachkommin. So schnell konnten beide gar nicht gucken und das Kind nahm ihren Alltag ein. Anders als heute, wo doch jede(r) alles auslebt, was auszuleben geht, mit der Vorliebe, sich alles leisten zu können, um dazu zugehören, konzentrierten sich diese Beiden auf sich selbst und die frischgebackene Familie. 

 

Nicht einfach - ganz und gar nicht einfach, vor allem dann, wenn kaum Unterstützung vorhanden ist und beide berufstätig sind, sprich der Hintern nicht gepudert wird.

 

Das pudern taten die Zwei mit ihrem Nachkömmling, was auch notwendig war, denn die Windeln waren damals auch nicht das, was sie heute sind - saugstark und nach dem großen Schiss bereit für den Abfall. Früher waren es Stofffetzen, die ein Kleinkind selbst öffnen konnte, um in der Scheiße zu wühlen. 

 

Ein weiterer "Schieter" folgte kurze Zeit später und die Familie war komplett. Nur für sich glücklich und einem System untergeordnet, machten sie ihr Ding. Stets fleißig und immer anständig. So wie sich das eben gehört für einen ordentlichen Bürger. 

 

Sie erfüllten sich ihren gemeinsamen Traum, ein wunderschönes Eigenheim im Grünen, waren immer für die Kinder da - sowieso und wie es sein sollte, noch mehr für die Enkel. Mit Stolz schauen sie auf ihr Werk. Das muss man erstmal schaffen - mit Stolz zurückblicken!

 

Weil ein Eigenheim für Vorsorge im Alter nicht reicht, denn das ist ein Haus, in dem man lebt - bestenfalls gut isoliert und mit einem Dach ohne Löcher, ordentlich gepflegt und erhalten, wurde natürlich auch gespart. So wie es möglich war. “Was soll uns schon passieren"...", sind Gedanken der Beiden, “Wir haben unser Leben lang gearbeitet, ohne Pause, zum Teil mit mehreren Jobs gleichzeitig!" “Die gesetzliche Rente ist neben unserem geschaffenen Eigenheim unser Grundbaustein.” “Neben diesem greifen wir auf das Ersparte zurück und leben entspannt.” “Wir haben es uns verdient!” Angelegt wurde das Ersparte über den Beruf in einer betrieblichen Altersvorsorge und in einer konventionellen Kapitalrentenversicherung. 

 

Die betriebliche Altersvorsorge, mit der motiviert wird, gut angestellt und ein anerkannter Mitarbeiter zu sein, zudem ausgestattet mit unglaublichen Sozialversicherungs- und Steuervorteilen. Die konventionelle Kapitalrentenversicherung, die nebenbei zu einem festen Garantiezins für Wachstum sorgt. Jahrzehnte wurde eingezahlt. Sicherheit pur. Was will man mehr.

 

Und dann war es soweit: “Ruhestand!” “Endlich!” “Nun machen wir es uns schön!” 

 

Die Gesetzliche Rentenversicherung verspricht NETTO nach voller Besteuerung die Hälfte, was an Zahl auf der Renteninformation jahrelang per Post in den Briefkasten flatterte, die betriebliche Altersvorsorge nachgelagert ebenso und die Kapitalrentenversicherung hat über die Jahre, besonders in dem letzten Jahrzehnt nur Verluste gemacht, da die Gesellschaft keine Überschüsse mehr erwirtschaftete. Darüber hinaus wird jede einzelne Errungenschaft aus Verträgen mathematisch in Auszahlung so kalkuliert, dass du uralt wirst. Bedeutet, der Topf wird aufgeteilt in Rentenzahlung, so wie ein Entscheider das für richtig hält, aber nicht für die Zwei, die andere Ideen haben, mit ihrem Ersparten und angesammelten Punkten zu leben.  

 

Das Erwachen groß. Informiert wurden sie nicht. Die Inflation tut ihr Übriges. 

Doch haben sie noch sich, ihr wunderschön angelegtes und gepflegtes Eigenheim, ihre Kinder und Enkelkinder.

 

Daniela Sommerhoff

 

Foto von Jannis Lucas auf Unsplash