Keine Ahnung, ob das hier irgendwen interessiert – ich schreibe es trotzdem. Ist ja schließlich mein Hobby, andere mit meinen Gedanken zu überraschen.
Ich mag meine kleinen Runden durchs Viertel. Da sehe ich überall freundliche, fleißige Menschen – egal an welcher Ecke. Kleines Gebiet, kleine Läden, große Herzen.
Mittagszeit bedeutet: Die meisten Bewohner sind noch in der Stadt unterwegs, und hier ist es angenehm ruhig. Genau das liebe ich an diesem Stadtteil: ein bisschen außerhalb des Trubels, und trotzdem immer gleich – ob es stürmt, regnet, schneit oder die Sonne meint, heute besonders motiviert zu sein.
Welches Land kann das von sich behaupten?
Puh, da wird’s für die Weltlage schon etwas schwierig.
Fast täglich sehe ich auch eine Dame vor meinem Einkaufsladen – ich nenne ihn inzwischen so, weil ich da gefühlt schon Miete zahlen könnte. Sie sitzt dort bei jedem Wetter. Jetzt im Winter etwas dicker eingepackt, sogar mit einer Windschutzscheibenabdeckung um Taille und Beine. Improvisationstalent hat sie jedenfalls. Oder ist dem nicht so?
Ich glaube, sie wird hier geduldet, aber nicht wirklich gern gesehen. Ich dagegen freue mich jedes Mal, wenn ich sie entdecke. Für mich zeigt sie, wie verrückt die Welt inzwischen geworden ist – und wie unerschütterlich ein Mensch sein kann. Sie kommt jeden Tag, setzt sich hin, lächelt. Ich habe sie noch nie unfreundlich erlebt. Und sie schaut tatsächlich jeden einzelnen Menschen an, richtig bewusst. Keine Spur von Eingeknicktsein, Besoffensein oder sonstigen eskalierenden Zuständen, die man leider allzu oft sieht. Sie ist klar, präsent und – ja – gar beeindruckend.
Heute habe ich ihr beim Bäcker einen kleinen Kuchen gekauft und ein kleines Geschenk darin versteckt. Ich stelle mir vor, jeder Bewohner dieses Ortes würde das einmal tun… hui, das wäre ein Fest! Ich bin sicher, sie würde sogar selbst kochen – und vermutlich besser als manche TV-Küchenlegende.
Aber wir leben nun mal in einer Zeit der neuen „Mauer“ – nicht die aus der DDR, sondern eine unsichtbare aus Abschottung, Egoismus und „Ich bin zuerst!“-Erziehung. Viele merken gar nicht, dass eine Gesellschaft so nicht allzu lange durchhält. Und trotzdem: Sie grinst weiter. Jeden Tag. So wie ich.
Und wie sagt man so schön: „Wer anderen eine Mauer baut, stolpert irgendwann selbst drüber.“
Foto von Ben Kupke auf Unsplash
Daniela Sommerhoff
